Karneval
- Selma Pißler
- 28. Feb. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. März 2022
... in Oruro
Am 26. Februar sind einige von uns Freiwilligen mit dem Bus nach Oruro gefahren, da dies die Hauptstadt des Karnevals ist. Hier findet nämlich der größte und bekannteste Karnevalsumzug in Bolivien statt. Bis zum 1. März läuft ununterbrochen eine Tanzparade bestehend aus verschiedenen Tanzgruppen durch die Stadt. Jeder Tanz hat eine mythische, religiöse oder kulturelle Bedeutung, die wir als Ausländer jedoch häufig nur erahnen konnten. Mir hat jedoch der Besuch im Museum für Ethnografie und Folklore im November geholfen, da dort eine Ausstellung den Karneval ziemlich genau erklärt hat.

Wir hatten uns einer Gruppe angeschlossen, die wir aus La Paz kannten, um nicht so viel organisieren zu müssen. Dadurch hatten wir einen Tribünenplatz und waren eine große Gruppe aus Einheimischen, Deutschen und Spaniern, weshalb die Stimmung in unserer Umgebung sehr gut war. : )
Es war sehr interessant, aber die Empfehlung, nicht in Oruro zu übernachten, war sehr richtig - irgendwann wäre es langweilig geworden, da wir über den Hintergrund der Tänze nicht Bescheid wussten.
... in La Paz
Aber auch in allen anderen Städten wird Karneval gefeiert. Und zu Karneval gehören auch die "Vorbereitungen" - namentlich Compadre am 17. Februar und Comadre am 24. Februar. Compadre bedeutet Kumpel und Comadre Busenfreundin (= weiblicher Kumpel).
Bei mir auf der Arbeit wurden zu Compadre die Mitarbeiter geehrt und bekamen von den Mitarbeiterinnen einen Donut und eine halbierte Papaya geschenkt, die sie essen mussten, wobei diese Dinge auf Vaginas anspielten. Deshalb war das ganze Geschehen von viel Lachen begleitet.
Zu Comadre revanchierten sich die Kollegen und schenkten ihren Kolleginnen eine Gurke mit zwei Aprikosen (symbolisierend einen Penis) und Weintrauben, sowie ein Hütchen am Haarreif.
Ich muss gestehen, dass ich an diesen Tagen nicht auf der Arbeit war, weil ich in Cochabamba, sodass ich keine Fotos machen konnte. Aber durch die in den Mitarbeiter:innen-Chat gesendeten Fotos konnte ich mir einen Eindruck verschaffen.
Am Freitag den 25. Februar war ich jedoch auf der Arbeit und konnte dem für diesen Tag vorgesehenen Ritual beiwohnen. Alle Kinder - und theoretisch auch die Mitarbeitenden - kamen an diesem Tag kostümiert und gegen Mittag trafen sich alle zu lauter Musik im Innenhof und haben getanzt, gelacht und sich mit Schaum besprüht. Dieser Schaum scheint ein fester Bestandteil des bolivianischen Karnevals zu sein. Auch in Oruro wurde viel mit Schaum gesprüht. Die Kinder lieferten sich auf der Fläche, wo die Parade stattfand, Schaumschlachten, sobald gerade keine Tanzgruppe da war, und auf den Tribünen und Straßen wurde man auch mit Schaum besprüht.

Gegen 14 Uhr wurden dann die Kinder abgeholt und die Mitarbeitenden haben unter sich gefeiert. Zunächst wurde im Treppenhaus ein Feuer entfacht. Dann sollte sich jeder zwölf schöne, nicht beschädigte Kokablätter aus einer Tüte zusammensuchen und auf einem Papier drappieren und sich währenddessen zu jedem Blatt etwas von der Pachamama - der Mutter Erde - wünschen. Und dann gab es noch Apfelschnitzel, Zucker und Getreide, das man auch drappieren konnte. Am Ende wurde alles mit dem Papier zu einem Paket gefaltet und auf das Feuer gelegt. Der Rauch zog in alle Räume. Danach haben wir Mittag gegessen bis Leute aus der Direktion kamen. Die sind dann mit meiner Koordinatorin um alle Räume gelaufen und haben auf ihrem Weg Blumenblüten, Zuckerkugeln, Wein und Alkohol verstreut und dadurch die Räumlichkeiten fürs nächste Jahr gesegnet. Anschließend haben wir zusammen mit Cola angestoßen, wobei der Großteil ein wenig für die Pachamama auf den Boden geschüttet hat. Dies wird jedoch nicht nur zu Karneval gemacht. Einige schütten jedes Mal beim Anstoßen ein wenig ab - teilweise auch zu Hause auf den Teppich. Am Ende waren die Räume also ziemlich dreckig, weshalb wir beschlossen, dass wir die Kinder am Mittwoch erst um neun Uhr empfangen können, um vorher sauber zu machen.



Um 16 Uhr durften wir vorzeitig die Arbeit verlassen und haben uns entschieden, zu einer Mitarbeiterin nach Hause zu fahren, um dort in Ruhe feiern zu können, da die Heimjungs des Casa de Paso uns nicht unbedingt betrunken erleben sollten. Dadurch habe ich die zwei Töchter und den Ehemann meiner Kollegin kennengelernt.
Am Samstag haben wir dann von einer Schaumschlacht auf dem Prado mitbekommen und sind hingefahren. Das blöde war, dass der Großteil der Menschen direkt ins Gesicht oder die Augen gezielt hat, was ein wenig unangenehm war. Zudem waren wir als Gringos bevorzugte Ziele. Diesen Begriff muss man sich als weiße Person schon im Alltag manchmal anhören, aber an dem Tag hat uns praktisch jede Person, die uns besprüht hat "Gringos y Gringas" entgegengebrüllt.


Am Sonntag gab es auch in La Paz eine Karnevalsparade, zu der wir gefahren sind. Die war jedoch im Vergleich zu Oruro sehr öde, da viel weniger Tanzgruppen beteiligt waren, sodass häufig Pausen entstanden, in denen keine Tanzgruppen vorbeikamen.
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